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Autor Thema: Kurzgeschichten  (Gelesen 5260 mal)
Akineko
Geselle
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Beiträge: 38



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« am: Mo, 09. September 2013, 20:09 »

Hier für euch mal meine ersten beiden Kurzgeschichten (naja, die dich ich mit 10 Jahren geschrieben habe, kann man niemandem mehr zumuten  XD), hoffe sie gefallen euch, auch wenn sie eher traurig sind...
Ich hab grad einfach Lust, sie zu posten, keine Ahnung warum. Sollten sie gefallen, hätte ich auch noch ein bisschen mehr hier rumflattern o_o

Wolkenkinder

Wir haben damals immer auf der Bank dort gesessen.
Dort, unter dem großen Nussbaum, im Garten mit Blick auf das Dorf unter uns.
Die Bank hat den letzten Winter nicht gut überstanden, aber der Baum steht noch. Ich weiß nicht, ob noch Menschen hierher kommen, um die Nüsse zu essen.
"Privatbesitz" steht an dem alten, rostige Eisentor, das die Zufahrt versperrt; aber in Wirklichkeit gehört das alte, leere Haus schon lange niemandem mehr.
Seit dem Tag vor zehn Jahren steht es leer, die Fenster dunkel, und niemand hindert den Efeu mehr daran, die Wände zu erobern.
Vielleicht, wenn ich in vielen Jahren noch einmal hierher kommen würde, vielleicht hätte sich der Garten dann das Haus zurückerobert, hätte diesen von meinem Urgroßvater erbauten Hof der Natur zurückgegeben.
Auch so sieht es schon wild aus, überwuchert, verwunschen.
Damals war der Garten gepflegt, meine Mutter hielt nichts von Wildheit, es musste alles ordentlich sein, überschaubar.
Die Glocken des alten Kirchturms läuten.
Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon stehe, weiß nicht wie lange ich schon auf die Stelle nahe den Klippen schaue, dort wo man den besten Blick auf das Dorf tief unten hat; die paar Höfe, die sich eng aneinander drängen, miteinander wetteifern um einen Platz nahe der uralten, kleinen Kirche, die eigentlich längst hätte zusammenstürzen müssen, und doch Jahr um Jahr weiter aufrecht steht, nur um das Dorf um sich herum zerfallen zu sehen.
Das Gras ist hoch gewachsen.
Früher haben wir hier gelegen, haben hoch in den Himmel geschaut, und die Wolken betrachtet.
Wir haben davon geträumt zu fliegen, einfach loszulaufen, auf die Klippen zu, und dann darüber hinaus, einfach weiter, immer höher.
"Siehst du sie, die kleinen weißen Wolken da oben? Das sind Kinder, so wie wir.
Sie haben es geschafft, sie sind geflogen.
Wolkenkinder."
Das rotweiße Absperrband flattert im Wind. Auch heute noch, nach all diesen Jahren.
Wir wissen nicht, was nach dem Tod kommt, und vielleicht ist es auch ganz gut so, denn wenn wir es wüssten, dann könnten wir uns nicht mehr vormachen, dass danach alles besser wird.

Springen ist einfach, aber Fliegen, fliegen ist so viel schwerer.



HerbstZeitlose

Es gab eine Stadt, und diese Stadt kannte die Zeit nicht.
Niemand wusste, ob es jemals Zeit in dieser Stadt gegeben hatte, nicht einmal die Ältesten der Alten erinnerten sich noch.
Jahre und Tage bedeuteten nichts in dieser Stadt, genauso wenig wie Stunden oder Sekunden, und auch die Jahreszeiten mieden diesen Ort.
Es gab eine Stadt, weit außerhalb der bekannten Welt, und in dieser Stadt, da gab es ein Mädchen.
Dieses Mädchen war in dieser Stadt geboren, und so wusste sie nicht, wer die Zeit war und was sie mit den Menschen machte, und auch die Zeit wusste nicht, das es dieses Mädchen gab, ein Mädchen, das außerhalb, das ohne die Zeit lebte.
Es verging keine Zeit, aber das Mädchen wurde älter, nicht in Jahren, sondern im Geist.
Sie wurde reicher an Erfahrungen, und so wurde sie auch reicher an Fragen, denn immer wenn wir etwas lernen, erschließen sich uns dadurch neue Rätsel.
In dieser Stadt, in der die Zeit nicht verging, fand sie keine Antworten mehr auf ihre Fragen, dort wo die Zeit nicht vergeht, gibt es auch nichts Neues, keine Veränderungen.
Und so verließ das Mädchen die Stadt, auf der Suche nach den Antworten auf ihre Fragen, und außerhalb der Stadt, auf einem weiten Feld, traf sie zum ersten Mal den Herbst.
Und sie, die sie nie die Schönheit der herbstlichen Farben gesehen hatte, verliebte sich in den Herbst. Sie verliebte sich in die bunten Blätter und den letzten Sonnenschein, aber auch in den Wind und in den Regen, in den ersten Sturm und die Spiegelpfützen.
Und auch der Herbst verliebte sich in sie, denn sie war von schöner Gestalt, und er liebte es, mit dem Wind in ihrem langen Haar zu spielen.
Doch schon bald mischte sich der erste Schnee in den Regen, und der Wind wurde eisig und schmerzhaft.
Die Blätter fielen von den Bäumen und ertranken, die Pfützen erfroren und selbst der Sonnenschein erstarrte, oder versteckte sich hinter den Wolken.
Der Winter kam auf weißen Schwingen, und es blieb dem Herbst kaum Zeit, ein letztes Mal durch das Haar des Mädchens zu streichen, ein leises Abschiedswort und ein „warte auf mich im nächsten Jahr“ zu wispern.
Der Winter eroberte das Land, machte alles gleich, alles eintönig weiß und grau.
Er traf das Mädchen, wie sie zitternd im Schnee saß und darauf wartete, das das Jahr verging.
Er schmeichelte ihr, rötete ihre Wangen mit eisigen Liebkosungen und schenkte ihr Eisblumen und sich in bitterkalten Tropfen spiegelndes Licht.
Doch all dies nützte nichts, das Mädchen war zu bezaubert von den Farben des Herbstes und dem Geräusch der Blätter unter ihren Füßen, als das sie die Schönheit des Winters hätte bemerken können.
Und so verfiel der Winter in eine tiefe Traurigkeit, und als seine Traurigkeit zu Wut umschlug, da hetzte er Stürme über das Land, und der Schnee türmte sich meterhoch.
Die Bäume brachen unter der Last, und die Tiere starben. Die Flüsse froren zu und die Berge trugen bis zu ihren Füßen weiße Mäntel.
Seine Wut währte lange, bis sie schließlich, wie alles um ihn herum, erfror, und aus dem Zorn Resignation wurde.
Und in diesem Zustand fand ihn der Frühling, und sie nahm ihn sanft in den Arm, und weckte die Tiere aus ihrem Schlaf, und ließ die Bäume neues Grün tragen.
Sie überzog die Welt mit einem Teppich aus Blumen, die Flüsse erwachten zu neuem Leben, und verkündeten glucksend und schäumend, das ein neues Jahr angebrochen war.
Doch all dies erlebte das Mädchen nicht mehr.
Sie sah weder die neuen, völlig anderen bunten Farben, die der Frühling schenkte, noch spürte sie die neckischen Spiele des letzten Sturms in ihrem Haar.
Sie lag inmitten eines Blumenmeers, und obwohl der erste Sonnenschein ihre Nasenspitze kitzelte, erwachte sie nicht aus ihrem eisigen Schlaf.
Der Winter hatte in seinem Wüten das Leben des Mädchens mit sich genommen, er hatte ihre Schönheit in ewigem Eis erstarren lassen, und ihre Augen sahen nicht mehr, wie der Frühling sich um sie bemühte, wie der Sommer kam und das Eis zu schmelzen suchte.
Sie sah auch nicht mehr, wie der Herbst zurückkehrte, hörte nicht sein Weinen, das Heulen des Sturmes, der den Verlust beklagte.
Sie spürte nicht, wie er ihren Körper unter einer bunten Decke von Blättern bettete, schmeckte nicht mehr die Tropfen, die der Herbst weinte.
Sie hatte die Welt, in der die Zeit regierte, hinter sich gelassen, war wieder zurückgekehrt in die Stadt, die weit außerhalb der bekannten Welt liegt.
Doch der Hebst sucht sie noch heute, er streicht um die Häuser der Menschen, um sie wiederzufinden, und spielt in ihren Haaren und schenkt ihnen die bunten Blätter, den letzten Sonnenschein und die Spiegelpfützen.
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I still hear the old song
which is sung by the birds
and the leaves in the trees.
It is sung by the rain
by the thunder and storm
by the waves in the sea.

And as long as my heart beats,
this song will be there..!
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« Antworten #1 am: Di, 10. September 2013, 00:07 »

Wow......ich bin echt beeindruckt, das hinterlässt eine Gänsehaut.  :guter_beitrag:
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« Antworten #2 am: Di, 10. September 2013, 17:14 »

Schaurig schön geschrieben. Respekt!
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Akineko
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« Antworten #3 am: Di, 10. September 2013, 17:40 »

Danke!
Sowas kommt dabei raus, wenn ich um 3 Uhr nachts noch wach bin, weil...wach kann man das dann nicht mehr nennen, und in dieser Dämmerstimmung kann ich am besten schreiben ^^
Im Moment bin ich aber zu beschäftigt, umd nachts noch am PC zu sitzen, also nur zur Erklärung: die Geschichten sind schon über ein Jahr alt.
Hier noch eine kurze Geschichte, die erst vor einigen Monaten ferig geworden ist...manchmal findet man den richtigen Schluss nicht. Ich bin immer noch nich ganz zufrieden =/


Im Schatten seiner Flügel

Er lächelt.
Wirklich, er liegt einfach da, und lächelt, das halblange Haar schließt wie ein goldener Bilderrahmen sein Lächeln ein, als wollte es, dass es niemals verschwindet, niemals vergessen wird.
Der Aufprall hat ihn mehrere Meter weit geschleudert, seine Beine und Arme liegen unnatürlich verrenkt neben ihm.
Ein Reh, sagen sie. Ein Unfall, Schockreaktion, Lenkrad verrissen.
Als ob das eine Erklärung wäre.
Es ist, als wollte er ihn noch im Tod verhöhnen. Konnte nicht irgendjemand dieses Lächeln verschwinden lassen?
Er hätte nicht herkommen sollen.
Ein Freund hatte ihm erzählt was passiert war, und er, er war natürlich sofort losgefahren.
Hatte seine Pflicht getan, war als jüngerer Bruder und einziges zurzeit anwesendes Familienmitglied zur Unfallstelle gefahren, nur um dieses Lächeln zu sehen.
Er hätte wenigstens den Anstand haben können, verzweifelt zu sterben.
Das hätte es leichter gemacht.
Es wäre einfacher gewesen, um ihn zu trauern, ihn vielleicht sogar zu vermissen, irgendwie.
Es passte nicht. Es hätte ein spektakulärerer Tod sein müssen, nicht einfach ein Unfall nach dem Prinzip: Auto trifft Baum.
Immerhin war doch sein Leben auch 'ach so spektakulär' gewesen, oder?
Aber er lächelte trotzdem.
Nur zwei Jahre, zwei Jahre Abstand, die für ihn das Leben zur Hölle hatten werden lassen.
Zwei Jahre und ein bisschen mehr Charme, ein bisschen mehr Selbstbewusstsein, ein bisschen mehr Ehrgeiz. Zwei Jahre, die es für ihn unmöglich gemacht hatten, sein eigenes Leben zu leben.
Er hätte es wissen können, wissen müssen, schon damals, spätestens aber seit seinem zehnten Geburtstag.
Es war ein Konzert gewesen, sein Bruder hatte mit ein paar anderen Schülern Musik aufgeführt,  nichts spektakuläres, aber für seine Eltern war es wichtig genug gewesen. Wichtiger als der zehnte Geburtstag ihres jüngeren Sohnes.
Sein Bruder hatte ihn nach dem Auftritt auf die Bühne geholt, hatte ihm vor aller Augen den eben erst selbst erhaltenen Blumenstrauß überreicht und ihm zum Geburtstag gratuliert.
Er hatte nie verstanden, was sein Bruder so anziehend an großen Menschenmengen fand. Er selbst hatte damals wie heute einen ordentlichen Respekt vor größeren Menschenansammlungen, und gleichzeitig hasste er sie.
Laut, ungeordnet, unberechenbar. Und zu allem Überfluss: man bekam zu viel Aufmerksamkeit.
Seit damals hatte er nie wieder einen der Auftritte oder Spiele seines Bruders besucht, aus Angst, etwas ähnliches könnte wieder passieren.
Er wusste trotzdem immer, was passiert war, wie viele Tore geschossen worden waren, wie oft sich jemand verspielt hatte. Immerhin kam sein Bruder jeden Abend nach einem solchen Ereignis zu ihm, erzählte ihm bis ins kleinste Detail, was passiert war.
Er hatte sich nie beschwert, dass sein kleinerer Bruder lieber zuhause saß und haufenweise Bücher verschlang, anstatt zu den Konzerten seines Bruders zu erscheinen.
Vielleicht hätte es etwas geändert, hätte er auch nur einmal zu erkennen gegeben, dass er ihn vermisst hatte.
Aber er war immer nur guter Laune gewesen, hatte nie Emotionen wie Enttäuschung oder Frustration gezeigt, hatte immer nur mit diesem Lächeln um sich geworfen, als gäbe es nichts auf der Welt, das ihn hätte verunsichern können.
Hatte er jemals über den Tod nachgedacht, und wenn ja, hatte er dabei gelächelt, so wie er es jetzt tat?
Er fragte sich, was dieses Lächeln verursacht hatte.
Ein letzter Gedanke, etwas Schönes, um den Weg auf die andere Seite etwas leichter zu machen, eine Erinnerung, ein Wunsch?
Was es auch gewesen war – nun war er fort, und mit ihm all seine Gedanken, seine Träume.
Und seine Musik.
Vielleicht das einzige, das sie wirklich mit einander verbunden hatte, zwei Geschwister, die verschiedener nicht hätten aufwachsen können.
Ein einziges Mal in all der Zeit, hatten sie zusammen musiziert, denn wie mit so vielem, gingen sie auch mit ihren Talenten völlig verschieden um: sein Bruder stand auf der Bühne, ließ auch andere an seinen schnellen Fingern, seiner Virtuosität teil haben, während er, der Jüngere, lieber im Schatten blieb, nur für sich selbst Musik machte, um des Singens willen sang, nicht fürs Publikum.
Es war an einem Herbstabend gewesen, und gleich dem stetigen Regen vor den Fenstern, war die Musik zwischen ihnen beiden gewesen, trennend und verbindend zugleich.
Das war nun für immer vorbei, würde nie wieder geschehen.
Er wandte sich ab, verließ den Unfallort, drehte sich um zu den gaffenden Menschen.
Plötzlich standen seine Eltern vor ihm, sie mussten angereist sein, nachdem sie die Nachricht vom Tod ihres ältesten Sohnes erreicht hatte.
Er schaute seine Mutter an, seine alte Mutter, so voller Trauer und Schmerz, die plötzlich so allein wirkte.
Er lächelte sie an, legte ihr sanft die Hand auf den Arm.
„Wie kannst du in so einer Situation nur lächeln? Wie kannst du nur?“
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