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Autor Thema: jatšowne jajko za lužyskeje tradicije – oder sorbische Ostereier im Versuch  (Gelesen 7801 mal)
Eiswoelfin
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~ nicht zu kuschelig ~


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« am: Di, 27. März 2012, 23:01 »

Nachdem ich Ostern x Jahre gekonnt ignoriert hatte – abgesehen von den zusätzlichen freien Tagen -, hat es mich dieses Jahr seltsamerweise wieder gepackt.
Von jetzt auf gleich meldete sich da eine Erinnerung, die mir sagte, daß wir früher immer zu Ostern Eier geschmückt hatten, sowohl daheim als auch im Internat und sogar in der Schule. Aber nicht einfach nur lustig bunt bemalt, sondern ganz nach unserem kulturellen Erbe (Himmel! Wie pathetisch!) mit mehr oder weniger traditionellen sorbischen Motiven.
Ich war nie besonders gut darin, manche meiner Mitschüler hatten schon Ostereier verziert lange bevor sie überhaupt laufen konnten (übertrieben gesprochen) und schufen jedes Mal richtige kleine Kunstwerke. Aber es hat Spaß gemacht und das war die Hauptsache.
Von den Erinnerungen und ein bißchen auch vom Ehrgeiz gepackt, begab ich mich frohgemuts ans Werk.



Was braucht es für ein sorbisches Osterei?

Je nachdem welche der vier in der sorbischen Lausitz auffindbaren Techniken man ausprobieren will, sind verschiedene Ingredienzien notwendig. Ich entschied mich für die einfachste und am bekannteste Technik – die Reservier- oder Wachstechnik.

Und so sah dementsprechend mein "Einkaufszettel" aus:
  • Bienenwachs (ganz, ganz wichtig!)
  • normales Kerzenwachs (zur Ergänzung für das Bienenwachs)
  • Ostereierfarben
  • Federn
  • alte Stifte
  • Stecknadeln
  • ein Behältnis zum Schmelzen des Wachs (hier der Deckel und das Stövchen)
  • Teelichter (irgendwo muß ja die Wärme herkommen^^)
  • Haushaltsgummi (als Beispiel für diverse Hilfsmittelchen zum Vorzeichnen)

Nicht im Bild sind:
  • weiße Eier (es gehen auch braune Eier, aber weiß sieht einfach schöner aus als braun)
  • die Gläser für die Farbe (die Öffnung sollte groß genug sein, um bequem ein Ei in die Farbe gleiten und wieder herausholen zu können)
  • ein paar alte Lappen
  • ein alter Eßlöffel (damit man das Ei nicht mit den Fingern in die Farbe tunken und wieder herausfischen muß)



Vor der Kür kommt die Pflicht – sprich die Vorbereitungen

  • die Ostereierfarbe nach Anleitung zusammenrühren
  • das Bienenwachs und das Kerzenwachs einschmelzen, ob nun im einem Verhältnis von 2:1 oder 1:1 hängt von der jeweiligen Vorliebe beim Arbeiten mit dem Wachs ab. Ich nahm 2/3 Bienenwachs und 1/3 Kerzenwachs. Am besten einfach selber austesten.
    An dieser Stelle ein kleiner Exkurs: Traditionell wird für das Wachs ein alter Alulöffel genommen, dieser um 90° gebogen und in eine Kartoffel oder ein Glas mit Sand gesteckt. Darunter wird dann ein Teelicht, eine normale Kerze oder ein Öllämpchen gestellt. Ich hatte jedoch keinen alten Löffel und wußte aus Erfahrung, daß es mit dem Deckel und dem Stövchen ebenso gut klappt. Was davon nun besser bzw. richtiger ist, bleibt dem eigenen Urteil überlassen.
  • die Federn schleißen, d.h. die Seitenzweige vorsichtig abzupfen, bis nur noch die Spitze übrig ist. Anschließend mit einer scharfen Schere die Spitze in die gewünscht Form bringen – für gewöhnlich ein Dreieck oder eine Raute.
  • Da sich mit den Federn jedoch schlecht Punkte oder Strahlen auf das Ei malen lassen, nimmt man hierfür meist eine Stecknadel.  Für ein leichteres Arbeiten sollte sie vor Benutzung aber in die Rückseite eines Holzstiftes gebohrt werden. Das macht es auch Menschen mit größeren Fingern leichter  ;-)
  • Für Anfänger und weniger Geübte – so wie ich einer bin – ist noch anzuraten, sich dünne Hilfslinien auf das Ei zu zeichnen. Dafür kann man alles möglich verwenden: Gummi, Schablonen, Deckel, Klebestreifenrollen… Ich hab für die Kreise zum Beispiel den Deckel von meiner Deospraydose genommen. Wer eine ruhigere Hand und ein sichereres Auge hat, kann die Linien natürlich auch gern Freihand zeichnen.



Wenn alles soweit klar ist, kann es los gehen

  • mit den zugeschnittenen Federn und den Stecknadelstiften das Wachs auf das Ei werfen. Anschließend das Ei in die Farbe legen und solange darin schwimmen lassen, bis der Farbton gefällt. Wichtig ist, daß das Ei komplett untergetaucht ist – außer man will es absichtlich nicht. Dann kommt die nächste Schicht Wachs und die nächste Schicht Farbe usw.
  • Bei dieser Technik arbeitet man sich immer vom Hellen zum Dunklen vor. Es ist zwar auch möglich, die Eier mit Buttermilch wieder zu entfärben – zumindest an den Stellen, an den noch kein Wachs ist. Aber das ist eine schlabbrige und langwierige Angelegenheit, weswegen ich gern darauf verzichte.
  • In punktum Motive setzt eigentlich nur der eingeschränkte Platz und die eigene Phantasie Grenzen. Anregungen und Vorlagen finden sich überall im Netz. Freischnauze kann bisweilen auch funktionieren – wie man an meinen Versuchen sieht. Einmal eher traditionell mit Sonnenrad und Drachenzähnen; und einmal etwas freigeistiger mit Flammen verziert.

  • Am Ende der Farbleiter angekommen bleibt eigentlich nicht mehr viel, außer Warten bis die Farbe ganz getrocknet ist und das darauf folgende Abwachsen mit einem alten Lappen über einer Kerze bzw. Teelicht.
  • Je nachdem ob das Ei vorher gekocht wurde oder roh blieb heißt es ganz zum Schluß entweder guten Appetit oder fröhliches Ausblasen. Die althergebrachte Weise benötigt dazu zwei kleine Löcher an beiden spitzen Seiten und eine gute Lunge. Zum Glück gibt es dafür aber mittlerweile ein nettes Hilfsmittel – den Blas-Fix, der bedingt nur noch ein Loch und ersetzt den Mund durch eine kleine Pumpe, mit der man Eigelb und Weißklar herauspressen kann.



Tja. Das war's dann auch. Hier noch meine ersten drei Versuche seit fast 10 Jahren. In welcher Reihenfolge sie entstanden brauche ich wohl nicht zu sagen  :lol:


« Letzte Änderung: Mi, 28. März 2012, 21:10 von Eiswoelfin » Gespeichert

Eiswoelfin
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« Antworten #1 am: Di, 27. März 2012, 23:04 »

Wissenswertes zum sorbischen Osterei

Geschichtliches

Es gibt verschiedene Theorien über die Entstehung der Tradition, zu Ostern Eier zu färben und diese bisweilen zu verschenken. Die einen sehen den Ursprung eher im vorchristlichen Brauchtum. Die anderen gehen davon aus, daß sich das reiche und möglichst farbenfrohe Verzieren von Eiern zunächst in Rußland entwickelt hat und von dort aus nach Europa gebracht wurde.
Daß die Sorben daraus eine derartige Kunst gemacht haben, ist vermutlich der Zeit und den Umständen ihrer Christianisierung geschuldet.
Die vier slawischen Stämme, die zu jener Zeit in der Ober- und Niederlausitz (Sachen und Brandenburg) siedelten, nahmen mehr oder weniger schnell und mehr oder weniger freiwillig den neuen Glauben an. In den Regionen mit liberaleren Landesherrschern – zumeist Protestanten – gingen die alten, heidnischen Bräuche dabei jedoch nicht verloren sondern vermischten sich mit den religiösen Riten der Christen. Was heutzutage vor allem zu Ostern noch sehr deutlich wird, gerade in den Landstrichen um Vetschau, Bautzen, Cottbus und dem Spreewald.
Außer den kirchlichen Konventionen vor und während des Festes der Widerauferstehung übernahmen die Sorben auch die Tradition, an jenen Tagen die Patenkinder mit Geschenken zu bedenken, die ihnen Glück, Wohlstand, Gesundheit und Segen bringen sollten.
Doch weil die Lausitz nicht unbedingt für hart gepreßten Reichtum bekannt und die Sorben zumeist einfache Bauern waren, nahmen sie was sich ihnen aus der unmittelbaren Umgebung bot. Dazu zählte unter anderem das Hühnerei.
Aber ein schlichtes Ei, selbst wenn es gefärbt ist, ist kein würdiges Geschenk. Also wurde es so reich als möglich verziert, um sowohl den emotionalen als auch den materiellen Wert zu steigern. Wobei die Muster jedoch nicht christlichen sondern älteren, heidnischen Ursprungs waren (vermutlich ein Zeichen dafür, daß zur der Zeit als der Brauch entstand die Sorben trotz aller Christianisierung noch stark an ihren alten Gewohnheiten festhielten). Und wenn man sich heutige sorbische Ostereier ansieht, findet man diese Symbole noch immer – der Zweig, die Wabe, der Wolfs- bzw. Drachenzahn, das Sonnenrad und viele andere Schutz- und Fruchtbarkeitszeichen. Ganz davon abgesehen, daß das Ei an sich schon ein Symbol der Fruchtbarkeit und des Wohlstandes ist.
Einigen Gerüchten zufolge wurden diese kleinen Kostbarkeiten durchaus auch als Währung eingesetzt, um zum Beispiel den Zehnt an den Lehnsherren zu begleichen. Ob das tatsächlich stimmt, kann ich aber nicht sagen.



Techniken

Wie schon erwähnt, sind ihrer vier unter den Ober- und Niedersorben verbreitet.

1.) Reserviertechnik
Das Ei selbst wird gefärbt und mit dem Wachs werden die Stellen „reserviert“ an denen die nächste Farbschicht nicht haften können soll (Rest siehe oben)

2.) Bossiertechnik
Hierbei wird nicht das Ei, sondern der Wachs gefärbt. Von der Art und Weise ist es der ersten Technik jedoch gleich. Beides läßt sich auch wunderbar kombinieren, wenn man die Aufwand nicht scheut.

3.) Kratztechnik
Als allererstes wird das Ei kräftig eingefärbt, je dunkler und kräftiger die Farbe um so größer die letztendliche Wirkung. Mit einem scharfen, spitzen Gegenstand (Messer, Nadel…) werden dann Muster hinein geritzt/ gekratzt. Diese Form der Verzierung erfordert weniger Vorbereitung, ist aber wesentlich langwieriger als das Handtieren mit dem Wachs und nötigt zu viel mehr Geduld.

4.) Ätztechnik
Im Prinzip dasselbe wie die Kratztechnik, nur kommt hier verdünnte Salz, Essig oder Salpetersäure zum Einsatz. Von allen vier Verzierungsformen ist die Ätztechnik am wenigsten verbreitet – aus wohl offensichtlichen Gründen



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« Antworten #2 am: Di, 27. März 2012, 23:10 »

TOTAL krass...ich krieg grad so übelst lust das selber auszuprobieren...ich brauche Ferien *maul* ^^
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« Antworten #3 am: Di, 27. März 2012, 23:15 »

Es mag thematisch zwar nicht ganz zu Silvester passen, aber wenns gewünscht ist, mache ich gern einen Workshop daraus.



[Edit]
Und ein weiterer Versuch:



Um dem Ganzen einmal einen zeitlichen Rahmen zu geben:
An diesem Ei habe ich mit samt Vorbereitungen, Vorzeichnen, Färben, Abwachsen und Auspusten etwas 3 1/2 - 4 Std. gesessen, verteilt auf 3 Abende.

Die letzte Farbschicht ist etwas fleckig geworden, aber das ist der Fluch der neueren Ostereierfarben. Die sind einfach nicht für eine derartige Behandlung - Schicht auf Schicht auf Schicht - ausgelegt. Zwei bis drei Schichten machen sie bisweilen mit, wenn diese nicht zu kräftig sind, aber spätestens bei der vierten fängt das Gebläsel an. Doch eine gute, bläschenfreie Alternative zu den Ostereierfarben haben bisher weder meine Mama noch ich gefunden.  :-/
« Letzte Änderung: Mi, 28. März 2012, 20:50 von Eiswoelfin » Gespeichert

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